Außereuropäisches Kunst und Kulturgut / Thangkas, ein Überblick
Funktion - Herstellung - Wahrung der Authentizität
Thangkas – Rollbilder des tibetischen Buddhismus
Kulturelle Bedeutung und Möglichkeiten der Konservierung
Thangkas (tib. thang ka: „etwas, das zu rollen ist“) sind kompliziert aufgebaute dreidimensionale Objekte, bestehend aus einem mit opaken Leimfarben bemalten oder bestickten
Baumwoll- oder Seidengewebe, im Folgenden als Thangka-Gemälde bezeichnet und einer kunstvoll ausgearbeiteten Stoffeinfassung, einem Baumwolluntergewebe, Holzstreben als oberen und unteren
Abschluss, Zierknöpfen, sowie zwei langen Bändern und einer oder mehrerer seidenen Abdeckungen.
Die Kunst des Thangkamalens fällt unter den Wissenschaftszweig >Kunst- und Kunsthandwerk< und steht an der Spitze religiös-künstlerischer Kreation, da es langwierige geistige und
maltechnisches Studien erfordert und da Thangkas ein Hilfsmittel für den Buddhisten zur Erlangung höherer Erkenntnisstufen sind.
Die Thangka-Kunst ist aufs engste mit der Verbreitung des Buddhismus im Himalayaraum im 7.Jh. und dessen Splitterung in die verschiedenen Orden verknüpft. Ihre Ursprünge reichen bis in die Zeit
nach dem Tod des Buddha Śākyamuni (563-483) v. Chr. und den unterschiedlichen künstlerischen Einflüssen Kaschmirs, Nepals, Chinas und Zentralasiens zurück, bevor sich über 1000 Jahre später eine
eigenständige tibetische Kunstrichtung entwickelte. Thangkas können in drei funktionelle Kategorien eingeteilt werden:
Thangkas mit Lehr- und Erziehungsfunktion: Schriftunkundige, weit zerstreut siedelnde, ländliche Bevölkerung wird durch umherwandernde Mönche mit der buddhistischen Religion und deren
dogmatischen und historischen Gegebenheiten vertraut gemacht. Dargestellt sind hochrangige Persönlichkeiten aus der buddhistischen Religionsgeschichte, sowie Szenen aus deren Leben. Oder es
werden in Form von Stammbäumen zum Beispiel ganze Linien sämtlicher Äbte eines Klosters illustriert.
Zu persönlichen Zwecken hergestellte Thangkas: Das Anfertigen oder in Auftrag geben von Thangkas zählt im tibetischen Buddhismus zu den verdienstvollen Taten (Verdienst für den Maler und für den
Auftraggeber). Als Gabe zu rituellen Zwecken für ein Kloster ist der Verdienst als ein doppeltes gezählt. Es handelt sich dabei um Gaben für die dargestellte Gottheit in Form einer Widmung für
eine kranke Person oder um den Wunsch, etwaige spirituelle oder körperliche Krankheiten zu beseitigen. Aber auch, um einem Verstorbenen eine glückliche Wiedergeburt zu ermöglichen.
Thangkas als Meditationsgrundlage: sind funktionell gesehen am häufigsten: Sie dienen als Hilfsmittel, Gottheiten zu visualisieren. Das Visualisieren von Gottheiten ist eine von einer Vielzahl
von Meditationsformen, die sich aus der Ausrichtung des tibetischen Buddhismus auf Yoga-tantrische Praktiken ergibt. Vom Bildinhalt kann kaum auf ihre Funktion geschlossen werden. Sie sollten als
Ergebnis tiefenpsychologischer Prozesse verstanden werden, die nicht allein vom kunst- und religionswissenschaftlichen Ansatz her ergründet werden können.
(Lit.: Lavizzari-Raeuber, Thangkas Rollbilder aus dem Himalaya Kunst und mystische Bedeutung, Dumont Taschenbücher, Köln, 1984)
Das Thangka-Gemälde transportiert mit seiner symbolischen Formensprache nach strengen Grundmustern großer tibetischer Meditationsmeister und Mystiker die eigentliche buddhistische Lehre
(Verehrung der dargestellten Gottheit, Widmung für eine kranke Person oder Ausdruck des Wunsches nach körperlicher oder spiritueller Gesundheit u.a.). Die Kunst zeichnet sich durch eine stark
verdichtete Bildaussage und eine zumeist expressiv gesteigerte Formensprache aus. Auf diese Weise wird der sinnliche Gehalt der Darstellung auf eine geistige Ebene transportiert. Die seelische
Grundhaltung, die Thangkas widerspiegeln, zeigt den Menschen-im Gegensatz zur westlichen Grundhaltung- nicht als Herrscher über den Kosmos, sondern als Bestandteil des Universums, das der
ständigen Verwandlung unterliegt. Die Beziehungen zwischen dem Stifter und der Gottheit stehen im Vordergrund, weshalb Thangkas zumeist weder signiert noch datiert sind.. Und kommt auch der
mehrteiligen, oft aus einzelnen, zumeist sehr edlen und aufwendig gearbeiteten Gewebeteilen zusammengenähten Stoffeinfassung - im Gegensatz zum Bilderrahmen der westlichen Tradition - eine
wichtige ikonografische Bedeutung zu, so besitzen die übrigen Teile praktische und schmückende Funktionen: die Holzstreben stabilisieren das Thangka und erleichtern das Aufrollen, die Abdeckung
schützt das Thangka-Gemälde vor den Blicken Uneingeweihter und die Bänder halten die Abdeckung in Position. Neben den stilistischen Unterschieden geben auch der spezifischen Aufbau und die Form
der Stoffeinfassung Auskunft über die Herkunft, die kulturelle Bedeutung und die zeitliche Entstehung eines Thangkas.
Das Thanka-Gemälde und die Stoffeinfassung müssen als Einheit betrachtet werden, was bei anstehenden konservatorischen und restauratorischen Fragen Berücksichtigung finden muss.
Typische Schadensphänomene an Thangkas –
Möglichkeiten der Konservierung
Schadensbilder an Thangkas und ihre Ursachen:
Die Schadensursachen lassen sich in innere und äußere Faktoren unterteilen: Als innere Faktoren können die verwendeten Materialien mit den sehr unterschiedlichen Eigenschaften und der komplexe
Aufbau der Thangkas im Ganzen bezeichnet werden. Äußere Faktoren sind die klimatischen und atmosphärischen Verhältnisse, denen Thangkas ausgesetzt sind, der Gebrauch der Thangkas sowie deren
Aufbewahrung.
Zur Thangkaherstellung wird die Baumwolle zumeist beidseitig grundiert und mit Leimfarben bemalt. Der in der Grundierung und in den Farben enthaltene Leim, wird in der Hauptsache aus den Knochen,
Sehnen und/oder der Haut der in Tibet anzutreffenden Yak-Rindern gewonnen. Thangkas werden bei Nichtgebrauch mit der Bildseite nach innen, beginnend an der Unterkante, eingerollt. Ist die
Grundierung und Farbschicht anfänglich flexibel genug, Bewegungen ohne Schaden zu überstehen, so versprödet das Bindemittel und der textile Träger im Zuge der Alterung allerdings mehr und mehr:
die Grundierung und die Farbschicht(en), die sog. Bildschicht kann diesen Bewegungen nur bedingt folgen und bricht. Es kommt zu typischen, meist horizontal verlaufenden Sprüngen, die zumeist mit
Lockerungen in Farb- und Grundierungsschichten sowie Farbverlusten einhergehen. Beim textilen Träger kommt es zu Überdehnungen und schließlich ebenfalls zu Rissen, die häufig mit Flicken aus
Baumwolle hinterklebt oder mit Baumwollfäden vernäht sind. Gewellten Oberflächenstrukturen sind bei Thangka-Gemälden häufig anzutreffen. Ihr Auftreten dürfte mit dem hohen Gewicht der
Stoffeinfassung und den übrigen Teilen des Thangkas, mit den Gewebeverzügen in den Nahtbereichen zwischen Stoffeinfassung und Gemälde, sowie mit dem Ein- und Aufrollen der Thangkas
zusammenhängen. Die oft empfindlichen, technologisch häufig sehr komplex aufgebauten Gewebe der Stoffeinfassungen (Seide, Baumwolle, Wolle; Damast, Lambas häufig in Kombination mit Papiergold-
oder Lahnfadentechnik etc.) bilden Falten, es treten auch hier Risse und Substanzverluste auf. Entsprechend ihrer Funktion als Meditationsobjekt und der oft spärlichen Beleuchtung durch
Butterlampen treten an Thangkas oft stark ausgeprägte Verschmutzungen durch Ruß- und Staubablagerungen und ölige Substanzen auf. Direkte Feuchtigkeitseinwirkung (Kondenzwasser,
Dachundichtigkeiten, durchfeuchtete Wände) und allgemein hohe Luftfeuchtigkeiten führen zu Bildung von Wasserrändern bis hin zu Verlusten der wasserempfindlichen Grundier- und Farbschichten,
häufig auch zu Mikroorganismenbefall. Letzterer kann sich in sichtbaren Fleckenbildungen („Stockflecken“), Geruchbildung oder durch Bindemittelabbau (pudernde Farb- und/oder
Grundierungsschichten) zeigen. Wie alle organischen Materialien führen hohe Lichtintensitäten (ungefiltertes Tageslicht, Lichtquellen mit hohem Anteil ultravioletter Strahlung) neben der
Temperaturerhöhung durch den Infrarotanteil des Lichts zu so genannten Lichtschäden. Sichtbare Anzeichen sind ein Verblassen der Farben, Versprödung der Gewebe und /oder der Bildschicht oder
Riss- und Sprungbildungen.
Auch Schäden durch Fremdeinwirkungen treten häufig auf: für den Transport entledigt man sich quasi allen sperrigen Teilen des Thangkas und schneidet kurzerhand das Thangka-Gemälde aus der
Stoffeinfassung heraus. Die Randbereiche mit den ursprünglichen Nähten sind oft eingerissen. Durch Montierungen der Thangkas hinter Glas kommt es häufig zur Bildung weißlicher Ablagerungen auf
der Glasinnenseite und auf der Malerei. An dieser Stelle müssen natürlich auch andere, von fremder Hand verursachte Schäden, z.B. mechanischen Beschädigungen wie zum Beispiel Farbabrieb oder
Schäden durch vorangegangene unsachgemäß ausgeführte Restaurierungen (Beschneidungen, Montierungen auf starre Hilfsbildträger, das Hinterkleben von Stützgeweben, Bildschichtfestigungen, die
zumeist zu farblichen Veränderungen führen, Übermalungen etc.) genannt werden.
Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen an Thangka-Gemälden:
Grundsätzlich geht die Konservierung von der Erhaltung des angetroffenen Zustandes aus. Alle geschichtlichen Aspekte wie die Gebrauchsspuren bleiben - sofern von diesen keine Prozesse ausgehen,
die das Kunstwerk in seinem Bestand gefährden - erhalten. Die Restaurierung sieht im Gegensatz dazu die Wiederherstellung des als ursprünglich anzunehmenden Zustandes des zu bearbeitenden
Objektes vor. Alterungsspuren können dabei zu Gunsten der Bevorzugung ästhetischer Aspekte häufig vollständig verloren gehen.
In der aktuellen westlichen Restaurierungsauffassung ist das Original heilig: der Restaurator/die Restauratorin hat sich der künstlerischen Intension - seit der Renaissance ist sich der
Künstler/die Künstlerin seiner/ihrer Schöpfungskraft bewusst und signiert bzw. datiert sein/ihr erschaffenes Werk! – zu 100%ig unter zu ordnen: aus dem Malerhandwerk entstanden hat sich die
Restaurierung zu einem hoch spezialisierten, akademischer Beruf entwickelt, der neben handwerklich ausgefeilten Fertigkeiten ein hohes Maß an (material-)geschichtlichen, kulturellen und
naturwissenschaftlichen Kenntnissen verlangt. Der hohe Grad an Spezialisierung setzt im Falle der Thangkas als Materialkombination die interdisziplinäre Zusammenarbeit mehrerer Fachrichtungen
voraus: die Fachrichtung „Gemälde“ als Aufgabengebiet der Verfasserin bearbeitet den gemalten Bildteil, die Fachrichtung „Textil“ (FH) wird durch eine Textilrestauratorin für die Bearbeitung der
Stoffeinfassung abgedeckt.
Die Schwierigkeit besteht darin, eine Kunstform in seinem Bestand zu bewahren, ohne seinen kultischen Gebrauch und seinen kulturellen Ursprung aus den Augen zu verlieren. Das künstlerische
Original in Tibet erfährt im Unterschied zur westlichen Auffassung eine andere Wertigkeit, da es sich bei der tibetischen Kunst wie bereits erwähnt um eine Stiftungskunst handelt. Die Beziehungen
zwischen dem Stifter und der Gottheit stehen im Vordergrund, weshalb Thangkas zumeist weder signiert noch datiert sind. Damit der Restaurator/die Restauratorin bei seiner/ihrer Tätigkeit an
tibetischem Kunst- und Kulturgut den Objekten überhaupt gerecht werden kann, müssen die unterschiedlichen Auffassungen und Wertmaßstäbe berücksichtigt werden.
Mehrere Beispiele sollen die Komplexität des Sachverhalts verdeutlichen:
Thangkas werden bei Nichtgebrauch bzw. für Transport- oder Lagerzwecken zur Bildinnenseite hin beginnend von der Unterkante aufgerollt. Im kulturellen Kontext soll die dargestellte Gottheit bzw.
die abgebildete hochrangige Persönlichkeit bestmöglich geschützt werden, was bei Aufrollen mit der Bildseite nach außen nicht gegeben wäre. Für den Restaurator/die Restauratorin konservatorisch
gesehen ein Katastrophe! Bei Aufrollen gegen die Bildschicht kommt es unweigerlich zu Stauchungen der Bildschicht, die sich in den bereits beschriebenen Schadensbildern manifestieren. Muss also –
folgt der Restaurator/die Restauratorin der westlichen Auffassung der Restaurierung – der kulturelle Gebrauch untersagt werden? Im Falle der Präsentation von Thangkas mit vorhandenen
Seidenabdeckungen, die den Bildteil vor den Augen „Uneingeweihter“ schützen sollen, setzen wir uns bereits mit dem kunstvoll über dem Bildteil drapierten und damit dauerhaft geöffneten Thangka
über den kulturellen Kontext hinweg. Denn das Thangka wird nur zu bestimmten Anlässen und zu bestimmten Zeiten geöffnet, vergleichbar vielleicht mit den Festtagsseiten eines Altarretabels.
Sollten die Maßnahmen dahingehend ausgerichtet werden, ob sich das zu bearbeitende tibetische Kunst-/Kulturobjekt in einer Kunstsammlung befindet oder seine kultische Funktion behalten soll?
Müssen die Begriffe Kunst und Kultur getrennt betrachtet werden. Degradieren wir ein Kulturobjekt, wenn wir es zum Kunstobjekt deklarieren? Betrachten wir uns ein Thangka(-Gemälde) in einem
westlichen Rahmen, so kann die letzte Frage auf jeden fall mit einem Ja beantwortet werden.
Für den religiösen Gebrauch werden Thangkas konsekriert. Das heißt, die werden durch einen hochrangigen Gelehrten, einen Lama, selig gesprochen. Die erfolgte Konsekrierung eines Thangkas wird auf
der Rückseite des Bildteils in Form von tibetischen Gebetsformeln oder durch Handabdrücke sichtbar. Streng genommen müssten durch das bloße Ansichtigwerden des Bildinhalts von einem
„Uneingeweihten“ wie zum Beispiel der Restaurator/die Restauratorin und dann erst recht durch das Einbringen von Fremdmaterialien, wie es bei einer notwendigen Konservierung/Restaurierung
zwangsläufig der Fall wäre, neuerliche Konsekrierungen am bearbeiteten Objekt vorgenommen werden. Eine Segnung durch den Dalai Lama erfuhren alle Exponate bei der Eröffnung der Ausstellung
„Weisheit und Liebe-1000 Jahre Kunst des tibetischen Buddhismus“ in der Kunst- und Ausstellungshalle Bonn im Jahre 1996. So ist es folgerichtig, dass ein in der Schweiz lebender Mönch bestrebt
ist, bei der Wiederherstellung eines beschädigten Thangkas keine Fremdmaterialien in das Bildgefüge einzubringen. Die Methode, eine Fehlstelle in der Farbschicht durch Abschaben umliegenden, noch
intakten Farbpartien optisch zu schließen, ist mit der westlichen Restaurierungsethik unvereinbar. Nach tibetischer Tradition würde das Einbringen fremder Materialien die Funktionalität des
Thangkas zerstören. Wir sehen die Zerstörung aber gerade in der Schädigung der noch intakten Farbschicht durch das Abschaben, auch wenn die Farbschicht damit „nur“ dünner geworden ist.
Ziel der Konservierung und Restaurierung kann es nicht sein, eine in einem Kulturkreis als richtig angesehene bzw. als notwendig erachtete Methodik andere Kulturen über zu stülpen. Austausch und
Vermittlung sind notwendig. Ansprechen möchte die Verfasserin die Leserinnen und Leser dieser Seite! Im >FORUM< sind Ihre Meinungen, Anregungen, Ideen und Erfahrungen gefragt. Das
>PROJEKT< stellt Ihnen das Vorhaben eines kulturellen Austausches für die Erhaltung von Thangkas in Tibet vor. Zu den nachfolgend kurz aufgelisteten Maßnahmen zur Konservierung und
Restaurierung stehen Ihnen mit >WEITER< begleitendes Bildmaterial zur Verfügung.
Maßnahmenkatalog:
Konkret stehen bei der Konservierung die Festigung gelockerter Farb- und Grundierungsschichten, gezielte (Oberflächen-)Reinigungsmaßnahmen, Entfernen von/Schutz vor Mikroorganismen, das
Reduzieren vorhandener Deformationen und das Stabilisieren von Rissen im textilen Träger im Vordergrund. Oft werden Thangkas bzw. Thangka-Gemälde vollflächig auf einen oder mehrere
Hilfsbildträger geklebt, die Ränder des Thangkas werden dabei häufig beschnitten. Neben dem Verlust des flexiblen Bildcharakters und der typischen Maßverhältnisse eines Thangkas gehen vom
Klebemittel häufig schädigende Prozesse aus (Versprödung, Deformationen, Bildschichtverluste, Farbveränderungen, Migrationserscheinungen u.a.), die ein Entfernen notwendig erscheinen lassen. Bei
fehlender „Perforierung“ durch Beschneidung des Bildträgers (Durchstoßungen in regelmäßigen Abständen entlang der Ränder des Thangka-Gemäldes, die ein Hinweis auf die ursprünglich vorhandenen
Naht zwischen Bildteil und Stoffeinfassung sind und damit als Beweis für das ursprüngliche Vorhandensein einer Stoffeinfassung stehen – allerdings nicht zu verwechseln mit Durchstoßungen, die
während des Grundier- und Malvorgangs durch das Aufspannen des Bildträgers in einem Spannrahmen entstehen!!) ermöglicht eine Randanstückung eine fachgerechte Montierung. Fehlende oder
beschnittene Stoffeinfassungen und damit veränderte Größenverhältnisse können durch spezielle Montierungstechniken zwar kaum die ehemals vorhandene ikonografische Bedeutung wieder erlangen,
jedoch vom restaurierungswissenschaftlichen Anspruch ausgehend als spätere Ergänzung und optisch gesehen wieder als „Ganzes“ erfahrbar gemacht werden. Unerwähnt bleiben darf in diesem
Zusammenhang allerdings nicht, dass neben der grundsätzlichen Schwierigkeit, die bedruckten Seidenstoffe für die Stoffeinfassungen oder die besonders feinen oder gazeähnlichen Seidengewebe für
die Abdeckungen zu beschaffen, sich fehlende Stoffeinfassungen nicht ohne direkten Vergleich mit Thangkas des gleichen Stils zur Ermittlung der genauen Ausmaße ergänzen lassen. Auf die Ergänzung
fehlender Abdeckungen sollte bei vollständigem Verlust der Stoffeinfassung verzichtet werden, da weder die Intention des Kunstschaffenden bzw. Kunststiftenden oder -nutzenden bekannt ist, noch
ermittelt werden kann, welche Farben für die Abdeckung(en) verwendet wurden, in welcher Reihenfolge sie angebracht waren, oder ob schließlich überhaupt Abdeckungen vorgesehen waren.
Individuell angepasste, höhenverstellbare Hängehilfskonstruktionen gewährleisten eine Hängung und den Gebrauch entsprechend des ursprünglichen kulturellen Kontextes, ohne durch Nähte oder
Klebemittel mit dem Original in Kontakt zu stehen. Die Objektrückseite bleibt einsehbar, was in Bezug auf vorhandene Beschriftungen von Wichtigkeit wäre. An sehr fragilen Thangkas können
Bewegungen im Bildgefüge durch die Montierung des Thangkas auf eine feste Unterkonstruktion minimiert werden. Dabei müssen die ursprünglichen Maßverhältnisse, soweit diese zu ermitteln sind,
Berücksichtigung finden. Bei der Unterkonstruktion ist auf die Verwendung von hygroskopischen Materialien zu achten, das heißt, dass diese Materialien kurzfristige klimatische Schwankungen, wie
sie in ungeregelt klimatisierten Räumen auftreten, bis zu einem gewissen Grad ausgleichen können. Von den verwendeten Materialien sollten keine schädigenden Prozesse ausgehen z.B. industrielle
Vorbehandlungen von Stoffen oder Holzinhaltstoffe etc. Mit dem Unterlegen von gefärbten Stoffen im Grundton der Malerei können größere Fehlstellen innerhalb des Bildträgers farblich eingebunden
und damit die Ablesbarkeit der Darstellung erhöht werden, ohne dass schwer wiegende konservatorische bzw. restauratorische Eingriffe vorgenommen werden müssen (strukturelle und farblichen
Ergänzungen). Als Staubschutz wäre die Montierung des Thangka hinter Glas – wobei das Thangka in ausreichendem Abstand zur Glasscheibe montiert wird – sinnvoll. Acrylglas kann wegen dessen
elektrostatischer Aufladungen und der damit ausgehenden Gefahr für die Bildschicht nur dann eingesetzt werden, wenn ein ausreichend großer Abstand zwischen Objektoberfläche und Acrylglasscheibe
eingehalten werden kann. Zur Berücksichtigung aktueller Standards zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut (Klimaschutz, Staubschutz, Schutz vor mechanischer Einwirkung) kann das Thangka in
Anlehnung an dessen ursprüngliche Hängung am ehesten in einer geschlossenen Acrylglashaube präsentiert werden. Die Präsentationsform muss sich nach den Gegebenheiten am vorliegenden Objekt und an
die jeweilige klimatische Situation richten, und ist je nach Einzelfall zu entscheiden, im Besonderen, was die mögliche Belüftbarkeit und die Materialwahl angeht. Dem Abbau organischer
Materialien durch den kurzwelligen Anteil des Lichts kann durch UV-Schutzverglasung oder durch UV-Schutzfolien entgegengewirkt werden. Anstatt der Montage auf eine stabile Unterkonstruktion kann
in sehr fragilen Einzelfällen die Wiedererlangung der Rollfähigkeit eines Thangkas – was dem ursprünglichen kulturellen Gebrauch entsprechen würde – durch das rückseitige Aufbringen eines
Stützgewebes angestrebt werden. In der Auswahl solcher Stützgewebe bleiben die Rückseiten mit den gegebenenfalls auftretenden Konsekrierungs- oder Zauberformeln und andere Informationen
ablesbar.
Sind ästhetisierende Maßnahmen wie farbliche Einbeziehungen von Fehlstellen erwünscht, so sollten diese darauf abzielen, die Ablesbarkeit der Darstellung zu verbessern, ohne dabei den Bildinhalt
zu verändern und damit gegebenenfalls die Funktionalität zu beeinträchtigen, oder gar die Bildaussage zu verfälschen. Nochmals erwähnt seien hier die Notwendigkeit eines Austauschs zwischen den
Kulturen und die Berücksichtigung unterschiedlicher Auffassungen und Wertmaßstäbe. Ein Wertmaßstab ist nach Meinung der Verfasserin die Wahrung der Authentizität eines Thangkas als (kultisches)
Gebrauchsobjekt: Gebrauchsspuren und die Gebrauchsfähigkeit dürfen nicht vollständig zu Gunsten einer Bevorzugung ästhetischer Aspekte verloren gehen.
Mindestvoraussetzungen zum Erhalt von Thangkas:
Im Allgemeinen gilt es, direkte Sonneneinstrahlung, stark Lichteinstrahlung und kurzzeitige Klimawechsel (wiederholtes und/oder länger andauerndes Öffnen von Fenstern und Türen zum Lüften etc.,
Hängung des Thangka in unmittelbarer Nähe zu Wärmequellen) zu vermeiden. Konstante Klimaverhältnisse bei Temperaturen von 18 bis 20°C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von ca. 55% (+/-5%) r.
F. sind einzuhalten.